Gefangen im Reihengrab

Die meisten von uns landen auf einem Friedhof. Mit Stiefmütterchen oben drauf. Ein Grabstein, mit den Daten des Geburtstages und natürlich Sterbedatum. Und wenn es ganz verrückt wird: mit QR Code. Gefangen im Reihengrab.

Wenn du in einer Weinbar keinen Sommerspritzer bestellst, sondern eher den vollmundigen Roten. Wenn du der leichten toskanischen Brise dem vorlauten mallorquinisch- deutschen Ballermann den Vorrang gibst, gehörst du nicht in den Gießkannenradius deiner buckligen Verwandtschaft, sondern solltest dir einen Platz reservieren, wo du wirklich gut und schön und echt lange tot sein willst.

Ich würde gern den Apfel-Urnenhain auf dem St.Barbarafriedhof meinen Daumen hoch geben. Aber ich will mich nicht unter den erstbesten Stamm legen. Sobald ein neuer Baum gepflanzt wird, schau ich mir das an, und wenn es gefällt, reserviere ich ein Plätzchen. Dort gibt es auch Bienenstöcke. Echt. Den Honig kann man im Infopoint des Friedhofs kaufen. Das ist doch toll. Den können sich dann meine Angehörigen dick auf die Semmel schmieren. Honig von Tina. Ja, ja… hat an sich nichts mit mir zu tun. Aber ich lieg da ja. Unter dem Apfelbaum. Unter dem sanften Brummen der Bienen.

Mit ein bisschen Glück blühen dort dann im Februar auch Schneeglöckchen. Das wäre toll. Und so sehr ich. Februar macht ja an sich nur Sinn, weil es Schneeglöckchen gibt. Anderes Thema.

Oder vielleicht doch der Urnenhain. „Nah am Wasser“. Da kommt dann meine Asche in eine Bronzekugel, die nach und nach ausgewaschen wird. Ich werde also nach und nach in die Erde zurück gespült. Aber irgendwie will ich nicht getrennt werden? Auch nicht, wenn ich nur mehr Kohlenstoff bin, weil mir der Hintern weggefeuert wurde. Was wenn ein Teil herabgespült wird, und mein Aschearm ist aber noch in der Kugel? Schwierig, diese Vorstellung.

Da muss ich mich nochmal mit meinem Bestatter hinsetzen. Nachfragen.

Wenn du es dir leisten kannst, lass dich auf den Mond schießen. Oder träume davon aus einem Heißluftballon gestreut zu werden. Wenn du das aber nicht vorab regelst, passiert das mal gar nicht. Dann wartet das Reihengrab auf dich. Mit Stiefmütterchen.

Ich habe nicht vor so schnell zu sterben. Aber mal im Ernst, mein Mann bekommt eine Einkaufsliste in die Hand und vergisst trotzdem die Hälfte oder er kauft die falschen Kekse. Die waren halt günstiger und demnach eher berechtigt von uns gegessen zu werden.

Da ist dann mal nix, mit einem richtig coolen Grabstein und einer richtig sitzenden Aussage darauf.

„Hier liegen meine Gebeine. Ich wünschte es wären deine.“

Ich will da kein Risiko eingehen. Wie belastbar ist er denn, wenn ich tatsächlich plötzlich weg bin. Weiß der Geier aus welchem Grund. Stromunfall in der Bim. Irgendwas Spektakuläres. Will ich ihn dann in dieser äußerst dramatischen Schock-Situation auch noch mit den offenen Fragen des Bestatters belasten?

Ich will, dass aus einem „Das hätte ihr gefallen“ ein eindeutiges „Das will sie aber so!“ wird.

Alte Bäume sollen es bei mir auch sein. Die auf mich herabschauen. Friedvoll. Alte Bäumen haben ja wirklich alles schon gesehen. Jede Zeitenwende. Jede Lüge am Grab. Jede Seele, die da liegt und tagsüber unsichtbar über den Friedhof wandelt, um andere Seelen zu besuchen.

Und jetzt fragst du dich, wo kann ich das alles erfragen und erfahren…? Wo kann ich mir den Platz in der angemessenen ersten Reihe reservieren? Bei deinem Bestatter deines Vertrauens. Du hast noch keinen? Dann mal los.

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Lieber Papa!